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Besuch von zu Hause im Grossraum Phoenix

Hoher Besuch − Über Show Low und Globe fahren wir nach Phoenix. Wir merken schnell, warum uns Barbara diese Strecke empfohlen hat. Die Strasse führt in vielen Kurven, die mit Kakteen bewachsenen Hügel rauf und runter. Für Töfffahrer sicher ein Eldorado... für Nanuq Schwerstarbeit.

In Phoenix angekommen, vertreiben wir uns den Nachmittag in der Metrocenter Mall. Die Atmosphäre in diesem Einkaufstempel gefällt uns nicht besonders. Jungs sind mit tiefhängenden Hosen und Cap unterwegs. Die Teeniegören versuchen derweil mit viel nackter Haut und (zu) stark geschminkten Augen und Lippen deren Aufmerksamkeit zu erregen. Zusammen mit ein paar weiteren komischen Gestalten zeugen sie von einem eher tiefen Niveau. 

Auf einem WalMart Parkplatz geht der eher ereignislose Tag zu Ende. Ab morgen ist wieder mehr Action angesagt... Dann nämlich wird Lulu’s Schwester Barbara ihre zweite Heimat (oder ist es die erste?) und uns für eine Woche besuchen.

  

Samstag, 31. Dezember 2005 − Mit einer weiteren Shopping Tour starten wir gemächlich in den letzten Tag des Jahres. In der Desert Sky Mall decken wir uns mit ein paar T-Shirts ein. Zwei weitere kommen für nur $ 2 in einem Secondhand-Laden dazu. Hier geben wir auch ein paar Sachen ab, die wir nicht mehr anziehen mögen. In Phoenix können wir übrigens endlich wieder in T-Shirts rumlaufen. Die Temperaturen sind angenehm warm (Schatten) bis heiss (Sonne). Das milde Klima zieht jedes Jahr tausende von sogenannten «Snowbirds» an. Die Rentner verbringen in Zweithäusern oder einem Wohnmobil den Winter im Süden und entfliehen so dem kalten und nassen Wetter in anderen Teilen der USA.

 

Inkonsequent − Später machen wir uns auf den Weg zur Glendale Arena, wo heute Abend in einem NHL-Spiel die «Phoenix Coyotes» auf die «Colorado Avalanches» treffen. Barbara, Lulu’s Schwester, wird direkt vom Flughafen mit dem Mietwagen zum Stadion fahren, wo wir uns treffen wollen. Wenn alles nach Plan läuft, sollte sie kurz vor Spielbeginn eintreffen. Leider dauert die Immigration und die Übernahme des Mietautos länger als üblich und wir warten vergebens auf sie. Kurz vor Spielbeginn begeben wir uns zum Eingang der Halle. Barbara kann das an der Kasse hinterlegte Ticket später abholen. Doch auch mit Ticket kommt man nicht so leicht ins Stadion. Ein Sicherheitsbeamter hält uns am Eingang zurück. Es ist verboten professionelle Kameras mit Blitz ins Stadion zu nehmen. Unsere Beteuerung, dass wir den eingebauten (und eh unprofessionellen) Blitz nicht benutzen werden, kann ihn nicht umstimmen. Die Kamera muss zurück ins Auto. Rechtzeitig zum Anpfiff erreichen wir unsere Plätze und irgendwann im Verlaufe des ersten Drittels trifft auch Barbara ein... mit Kamera inkl. eingebautem Blitz!! :-)

Leider ist das Spiel recht unspektakulär. Die einheimischen Coyotes unter Head Coach Wayne Gretzky verlieren gegen die Truppe aus Colorado mit dem Schweizer Torhüter David Aebischer sang- und klanglos mit 2:5. Von einem Eishockeyspiel der NHL haben wir deutlich mehr erwartet. Ein in der Drittelspause auf Grossleinwand übertragener Heiratsantrag eines Zuschauers war der spannendste und emotionalste Moment des heutigen Abends.  

 

Game over − Kaum ist das Spiel zu Ende, steht auch das Stadion verlassen da. Keine Chance irgendwo noch etwas Essbares aufzutreiben. Die Gänge rund um die Arena sind leergefegt und die Fressbuden haben bereits die Rollläden runtergelassen. Ein typisch amerikanisches Phänomen, wie wir später auch an anderen Veranstaltungen feststellen. Da gibt es kein gemütliches Beisammensein unter Freunden und es werden auch keine Spielanalysen zum Besten gegeben. Das Spiel ist vorbei und somit abgehakt. Nun geht’s nach Hause.  

 

Verwirrung − Wir setzen uns alle in Barbara’s Auto. Zusammen wollen wir in den Parksektor von Nanuq fahren, von wo aus uns Barbara anschliessend durch die Stadt lotsen will. Dieser durchdachte Plan wird uns jedoch gründlich vereitelt. Die Polizei hat mittels Polizeiautos und Absperrungen alle Einfahrten in die verschiedenen Parksektoren blockiert. Es gibt nur eine Richtung, in die man fahren kann (respektiv muss) und die ist weg vom Stadion und somit weg von Nanuq. Das passt uns so natürlich gar nicht. Kurzum vollführt Barbara einen U-turn und fährt frech neben eines der Polizeiautos. Die Politesse verwirft die Hände und ihre Trillerpfeiffe tönt schrill in unseren Ohren. Markus steigt aus und beruhigt die sichtlich erzürnte Frau, indem er ihr unsere Situation erklärt. Sie erlaubt Barbara schliesslich in ihrem Auto hier zu warten, während Markus und Lulu Nanuq zu Fuss holen gehen. So klappt es schliesslich doch, dass wir im Schlepptau von Barbara, die die Umgebung aus ihrer Zeit hier in Scottsdale gut kennt, durch die Stadt geschleust werden... oder zumindest bis zur Autobahn. Denn obwohl wir Barbara darauf hingewiesen haben, dass Nanuq relativ langsam ist, hängt sie uns schnell ab. Wir versuchen, sie nicht aus den Augen zu verlieren und uns nicht allzu sehr abhängen zu lassen. Trotzdem verlieren wir stetig an Boden. Barbara bemerkt ihren Fehler erst, als sie von einem Jeep, den sie irrtümlicherweise für Nanuq gehalten hat, plötzlich überholt wird :-) Sie drosselt sofort ihre Geschwindigkeit und lässt uns aufschliessen.

 

Heissblütige Mexikaner und coole Schweizer − Vor einem «Jack in the box» (Fastfoodkette) lassen wir Nanuq stehen und fahren zu dritt in Barbara’s Auto zum Flughafen. Dort holen wir ihre Kollegin Bettina, die ebenfalls mal in Scottsdale gearbeitet hat, ab. Sie hat die Weihnachtstage in Iowa verbracht und macht nun einen Abstecher nach Scottsdale. Zu viert geht es zurück zum «Jack in the box», wo wir uns auf die zwei Autos aufteilen.

Unser nächstes Ziel ist das Haus von Blanca, einer ehemaligen Nachbarin von Bettina und Barbara. Bei ihr werden wir die kommende Woche gemeinsam verbringen. Zeit zum Verschnaufen bleibt uns aber vorerst keine. Nachdem wir das Gepäck ins Haus geschafft haben, geht es gleich weiter. Blanca’s Schwester hat angerufen. Bei ihr hat sich am Silvesterabend die Familie versammelt und nun hat es scheinbar noch reichlich Resten vom Nachtessen übrig... Unsere knurrenden Mägen sind erhört worden.

Wir werden auf spanisch begrüsst. Die Familie stammt ursprünglich aus Mexiko, ist aber schon seit längerer Zeit in den USA sesshaft. Im Gegensatz zu Blanca spricht ihre Schwester jedoch kaum Englisch. Wir haben gerade unsere Teller mit verschiedenen Tamales beladen, als es draussen mehrmals laut kracht. Nichts Böses ahnend, setzen wir Schweizer uns an den Tisch und fangen an zu essen. Unter den Familienmitgliedern hingegen herrscht plötzlich riesige Aufregung. Die Männer rennen ans Fenster und schauen in die Dunkelheit. Was für uns wie lautes Poltern an der Tür klang, identifizieren die Mexikaner als Schüsse. Erst als sie sicher sind, dass die Gefahr vorüber ist, wagen sich ein paar von ihnen nach draussen. Wir mampfen weiter. Die Männer kehren zurück. Sie haben tatsächlich ein paar Patronenhülsen auf der Strasse gefunden. Wir fahren mit dem Essen fort. Wahrscheinlich erwecken wir mit unserer Coolness den Eindruck, als ob wir täglich mit solchen Situationen konfrontiert würden. Dabei können wir die Situation schlicht nicht einordnen. Wir können nicht glauben, geschweige denn realisieren, was soeben vor unserer Haustüre passiert sein soll... eine Schiesserei.

Nach dem Essen verabschieden wir uns und verlassen das Haus. Zum Glück fallen keine weiteren Schüsse und wir erreichen sicher Blanca’s Auto. Auf dem Heimweg statten wir einer privaten Silvesterparty, an der auch Blanca’s Sohn Orlando teilnimmt, einen kurzen Besuch ab. Als einzige Nicht-Mexikaner werfen wir uns ins Getümmel im Vorgarten. Plötzlich ziehen sich alle in den Hinterhof zurück. Die Musik wird abgestellt und alle Gäste werden aufgefordert still zu sein. Eine Polizeipatrouille dreht ihre Runde im Quartier... und man will schliesslich nicht auffallen. Das Auftauchen der Polizei hat seinen guten Grund. Wir erfahren, dass kurz vor unserer Ankunft auf der anderen Strassenseite ein Auto geklaut wurde. Wo sind wir da bloss gelandet?! Prosit Neujahr!

 

Happy New Year − Am nächsten Morgen erledigen wir die obligaten Telefonate in die Schweiz, um «äs guets Nöiis» zu wünschen.

Danach fahren wir (Barbara, Bettina, Markus und Lulu) nach Cave Creek, einem typischen Southwest-Örtchen mit kleinen (Souvenir-)Läden und Restaurants. Barbara und Bettina haben Cave Creek nicht ohne Hintergedanken zum heutiges Ausflugsziel auserkoren... Im «Crazy Ed’s Satisfied Frog» gibt’s Burger, Steaks, BBQ und Salate an feiner Blue Cheese Sauce. Yammi!

Im zum Lokal gehörenden Souveniershop finden wir ein Geschenk für Chris und Jodi. Zwei Bikershirts mit witzigen Sprüchen, die wir hier nicht näher erläutern wollen. Während wir überzeugt sind, dass Chris seinen Spass daran haben wird, sind wir bei Jodi nicht ganz so sicher. Falls nicht, landen die Shirts wahrscheinlich beim nächsten "white elephant" unter dem Tannenbaum ;-)

 

Shopping time − Am Montag und Dienstag ist Shopping in der Studentenstadt Tempe und in der Scottsdale Fashion Square Mall angesagt. Letztere ist mit über 220 Läden auf einer Verkaufsfläche von etwa 30 Fussballfeldern für Barbara und Bettina das wahre Einkaufsparadies. Während wir (Markus und Lulu) anstatt Kleiderläden lieber die Thomas Mangelsen Gallery mit den genialen Tierbildern im Erdgeschoss der Mall besuchen, füllen Barbara und Bettina ihre Einkaufstaschen. Nur im Aberzombie & Bitch (Abercrombie & Fitch) lassen wir uns von der Kauflaune der beiden B’s anstecken.

In Tempe bringen wir unser kleines Objektiv zum Fotohändler. Nach genauer Untersuchung des defekten Teils muss er uns leider eine Absage erteilen. Das Anfordern von Ersatzteilen und die Reparatur würden zu lange dauern. Enttäuscht nehmen wir das Objektiv ungeflickt wieder mit. Zum Glück können wir notfallmässig auf das Objektiv von der analogen Kamera zurückgreifen, dabei geht aber ein Teil des Weitwinkelbereichs verloren.

 

Alt Bekanntes − Barbara und Bettina, die beide vor ein paar Jahren in Scootsdale gearbeitet haben, fühlen sich hier sichtlich wohl. In flottem Tempo geht’s über die Highways und immer wieder werden alte Lieblingsrestaurants angesteuert. Besonders in Erinnerung bleibt Lulu das warme Monster Cookie, das wir uns zum Dessert in Oregano’s Pizza Bistro teilen. Elaine, die uns an diesem Tag begleitet, muss leider passen. Die ältere Dame ist eine Bekannte von Barbara und Bettina und hat bereits mit dem Hauptgang zu kämpfen. Sie lässt die Hälfte ihres Sandwiches als doggy bag einpacken, um es mit nach Hause zu nehmen.

Elaine, von der niemand genau weiss, wie alt sie ist, freut sich sehr über Barbara’s und Bettina’s Besuch. Als Dank überreicht sie beiden einen selbstgestrickten Schal. Im Garten zeigt sie uns stolz ihren Orangenbaum und im Wohnzimmer liest sie uns einen Abschnitt aus einem Mail ihrer Enkelin vor. Diese reiste quer durch Europa und lobte die schöne Schweiz und ihre freundlichen Menschen. Es freut uns zu hören, dass Reisende aus der USA bei uns ähnliche Erfahrungen machen wie wir hier. Wir hatten bisher eher das Gefühl, dass Amerikaner und Canadier viel offener, umkomplizierter und hilfsbereiter sind als wir Schweizer.

Natürlich steht auch ein Besuch an Barbara’s und Bettina’s ehemaliger Arbeitsstätte auf dem Programm. Hugo versorgt die ehemaligen Mitarbeiterinnen mit dem neusten Klatsch und Tratsch. Zur Enttäuschung der beiden kommt bei ihrem Besuch im Büro ihr Lieblingslieferant von UPS nicht vorbei. Umso grösser ist die Aufregung, als er uns mal per Zufall auf dem Highway überholt. So kreischen normalerweise nur Teenies am Konzert ihrer Lieblingsband ;-)